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Tausende Germanen-Gräber


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2 Antworten in diesem Thema

  #1
Gratian

Gratian

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Hamburger Abendblatt, 31.10.2011, Carina Braun

Hamburg. Es ist das wohl größte eisenzeitliche Gräberfeld auf Hamburger Boden: Bis zu 4500 germanische Gräber, schätzen Archäologen, liegen unter der Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel und ihrer Umgebung. Vor einer Woche hat die Justizbehörde bekannt gegeben, ein Drittel des Geländes zu räumen. Nun möchte das Bezirksamt Nord dort mindestens 250 Wohnungen bauen. Noch vor den Baggern aber müssten Archäologen anrücken. Der Bau würde sich verzögern und teurer werden - dafür könnte endlich Licht ins Dunkel der frühen Hamburger Geschichte gebracht werden.

"Die Ausdehnung des Gräberfeldes ist gewaltig", sagt Rainer-Maria Weiss, Direktor des Helms-Museums in Harburg. "Das ist nicht nur eines von vielen, sondern ein ganz besonderes." Für die Archäologen wäre das Bauprojekt auf dem Gefängnisgelände eine bisher einmalige Gelegenheit. Seit Jahrzehnten lagern eher zufällige Funde und Akten über das Gräberfeld im Museum, ohne dass die Forscher je vor Ort hätten aktiv werden können. Fast zwei Jahrtausende hatten die alten Germanen unbehelligt unter der Erde gelegen, dann waren über den Gräbern Häuser und Straßen entstanden. Schon beim Bau der Justizvollzugsanstalt im Jahr 1873 förderten Arbeiter erste Urnen zutage - große Tongefäße, die Knochenstaub und Grabbeigaben enthielten. Im Lauf der Zeit wurden 500 Gräber bei Bauarbeiten geborgen; sie stammen aus den Jahren von 100 vor Christus bis 200 nach Christus. Die einzelnen Fundareale liegen relativ weit auseinander, die Forscher vermuten jedoch einen zusammenhängenden, riesigen Friedhof, der von Fuhlsbüttel bis weit nach Alsterdorf reicht. Größe und Bestandsdauer des Feldes lassen auch auf mehrere kleinere oder eine große, bedeutende Siedlung an der Alster schließen: eine Art Urhamburg, das mit anderen Kulturen im Handel war.

Seit 1987 ist das Helms-Museum als Archäologisches Museum Hamburg auch mit der Bodendenkmalpflege in der Hansestadt betraut. Es wird bei allen größeren Bauvorhaben mit in die Planung einbezogen. Vermuten die Archäologen schutzwürdige Stätten auf dem Gelände, geben sie eine Prognose über Dauer und Kosten der Grabungen ab. Beides wird mit dem Investor verhandelt und dann vertraglich festgelegt. Die Kosten trägt der Bauherr. In welchem Maße das auf dem "Santa Fu"-Gelände der Fall wäre, ist noch nicht abzusehen. "Das hängt ganz davon ab, auf welcher Fläche letztlich wie gebaut werden soll", sagt Weiss.

Viel ist bisher nicht bekannt über die Menschen, die unter "Santa Fu" im Boden liegen. Zwar war schon Ende des 19. Jahrhunderts das Interesse an der alten Kultur groß: Im Auftrag des Gefängnisses gruben Insassen damals gezielt nach deren Überresten, sogar ein kleines Museum leistete sich die Anstalt eine Zeit lang. Doch die Gefangenen leerten den Inhalt der Urnen, sortierten ihn nach Sachgruppen - Messer, Knochenreste, Fibeln - und zerstörten damit die Grabzusammenhänge. Welcher Fund in welcher Urne lag, können die Forscher im Nachhinein nicht mehr rekonstruieren. Später wurden die Stücke an verschiedene Hamburger Museen übergeben. Viele Gefängnisbeamte nahmen sich als Souvenirs Urnen, Scherben und Nadeln mit nach Hause. Noch Jahre später lieferten ihre Nachfahren Grabbeigaben ab. "Es wäre grandios, wenn nun neu gebaut werden würde", sagt Weiss. "Dann können wir endlich Gräber bergen und gründlich auswerten."

Doch nicht nur unter, sondern auch über der Fuhlsbüttler Erde werfen historische Stätten Probleme auf. Die Justizbehörde plant, ein Gelände von 27 000 Quadratmetern aufzugeben, darauf stehen Haus 3 und das seit 2009 stillgelegte Haus 1 der JVA. Beide Gebäude sind erkannte Denkmäler und stehen als solche unter Schutz - könnten aber, anders als eingetragene Denkmäler, unter Umständen abgerissen werden. Von 1933 bis 1945 war in der JVA auch das Konzentrationslager Fuhlsbüttel untergebracht, eines der ersten KZ überhaupt in Deutschland; von 1934 bis zum Jahr 1938 befand es sich in Haus 3, über dessen Zukunft nun entschieden werden muss. Während des Krieges eher unbedeutend, war das Fuhlsbüttler Lager in den Vorkriegsjahren berüchtigt für seine Grausamkeit. Zahlreiche ehemalige Insassen schrieben später Berichte über Schläge, Folter und gezielte Tötungen. Viele Häftlinge starben innerhalb der roten Backsteinmauern. Berühmt wurde das Schicksal des Lübecker SPD-Abgeordneten Fritz Solmitz, der auf Zigarettenpapier fein säuberlich die tägliche Tortur festhielt. Die Blätter versteckte er klein gefaltet in seiner Taschenuhr, die nach seinem Tod seiner Witwe übergeben wurden.

Ob alte oder jüngere Denkmäler - wird tatsächlich beschlossen, die JVA in Wohnraum umzuwandeln, stellen sich eine Menge Fragen. Sicher ist bisher nur, dass die KZ-Gedenkstätte im kleinen Torgebäude erhalten bleibt. Als einziges Bauwerk auf dem Gelände steht es auf der Denkmalschutzliste und darf nicht angetastet werden. Darüber hinaus gibt es noch großen Gesprächsbedarf. Bisher gibt es nur eine Drucksache zum geplanten Wohnungsbau, am Dienstag will die Bezirksversammlung Nord sie beschließen. Anfang des kommenden Jahres soll dann ein Aufstellungsbeschluss erlassen werden, bisher rechnen die Politiker mit einem Zeitraum von eineinhalb bis zwei Jahren bis Baubeginn. "Von einem Gräberfeld ist uns bisher nichts bekannt", sagt Thomas Domres, stadtentwicklungspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion Nord. "Aber Denkmalschutz und Bodendenkmalpflege werden bei allen Planungen miteinbezogen. Wir werden das sauber und gründlich prüfen." Katja Glahn, Sprecherin des Bezirksamts Nord, betont, dass die Pläne bisher noch nicht konkret seien. "Wir müssen uns erst mit dem Denkmalschutz zusammensetzen. Wir werden alle Fragen im Einvernehmen klären."

Sollte gebaut werden, werden die Archäologen sicher fündig werden. Das Areal, das jetzt freigegeben werden soll, liegt genau im Bereich der ersten Grabfunde 1873. Weil die Baugrube damals noch per Hand ausgehoben wurde, sollten dort noch reichlich Urnen unberührt im Boden stecken.

Quelle: http://www.abendblat...r-Santa-Fu.html



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str

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Danke für den Bericht Gratian, sehr interessant! beerchug.gif


  #3
Cibola

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Schließe mich da an sehr informativ dein Bericht!!! DANKE!!! mfg




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