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Das süddeutsche Dolchmesser

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stekemest

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Das süddeutsche Dolchmesser



Als eine der häufigsten mittelalterlichen Dolchformen nimmt ein bestimmtes Dolchmesser eine besondere Rolle in der Geschichte der europäischen Blankwaffen ein. Trotz der enormen Funddichte ist wenig über diese Dolchform, die bisher in Publikationen weitestgehend unerwähnt blieb, bekannt.


Allgemein

Als "süddeutsches Dolchmesser" bezeichnet der Autor eine bestimmte Dolchform, deren Funde sich über ein Gebiet erstrecken, das Süddeutschland, Österreich und die Schweiz umfasst. Charakteristisch sind eine einschneidige Klinge, eine schmale Angel und eine oder zwei flache, eiserne Plättchen am Griff. Die Bezeichnung "süddeutsches Dolchmesser" ist nicht allgemein für diese Form verbreitet; oftmals wird sie überhaupt nicht als eigene Dolchform erkannt. Der Name wurde vom Autor aufgrund der Dominanz im süddeutschen Raum gewählt.


Waffengeschichtliche Einordnung

Vor dem 14. Jahrhundert sind Dolche im archäologischen Fundmaterial nur äußerst selten anzutreffen, ihre Verwendung im 13. Jahrhundert ist aber durch zahlreiche bildliche und textliche Darstellungen belegt. Das Fehlen des Dolches im Frühmittelalter kann mit der Existenz des Sax erklärt werden, das als einhändige Hieb- und Stichwaffe einen Dolch überflüssig machte. Stattdessen finden sich in zahlreichen Gräbern der Merowinger- und Karolingerzeit einschneidige Messer mit röhrenförmigen Griffen, die auch als Dolche verwendet werden konnten. Solche Seitenmesser, die mehrere Funktionen erfüllten, stellen wohl den Ursprung der späteren Dolchmesser dar. Bezeichnend dafür ist die Tatsache, dass der Dolch noch weit ins Spätmittelalter hinein als "mezzer" bezeichnet wird.

Eine typische Form der zweiten Hälfte des 13. Jahrhundert ist ein Dolchmesser, das vor allem in der Schweiz gefunden wurde. Charakteristisch für diese Form sind eine einschneidige, meist asymmetrisch ausgeformte Klinge, eine zum Griff hin gebogene Scheibe an den Klingenschultern und ein Vernietknauf am oberen Griffende. Es handelt sich mit Sicherheit um eine regionale Form, die sich um die Mitte des 13. Jahrhunderts ausgebildet zu haben scheint. Ihre Ursprünge liegen in den Seitenmessern des Hochmittelalters, die als Mehrzweckgeräte mitgeführt wurden. Einige Funde dokumentieren die Form des Griffes: Dieser war oval und zur Klinge und oft auch zum Knauf hin seitlich verbreitert. Auch Plättchenkonstruktionen, wie sie im Spätmittelalter zahlreich belegt sind, scheinen üblich gewesen zu sein.
Überhaupt überwiegen im 13. Jahrhundert Dolche mit einschneidigen Klingen, also Dolchmesser: sowohl frühe Basilard-, als auch Nierendolch- und Antennendolchformen haben zu dieser Zeit überwiegend einschneidige Klingen. Auch im 14. und 15. Jahrhundert finden sich zahlreiche einschneidige Klingen, vor allem an Nieren- und Scheibendolchen. Dies ändert sich im 16. Jahrhundert: Hier treten vermehrt Dolche und Dolchmesser aus der Familie der Griffzungenwaffen auf, die parallel zu zweischneidigen Dolchen existieren und mit den alten Formen nicht mehr verwandt sind. Aus dieser Tatsache ergibt sich auch die typologische Datierung der süddeutschen Dolchmesser: mit ihren einfachen, einschneidigen Klingen, der Angelkonstruktion und den schlichten Röhrengriffen mit nach unten gebogenen Enden gehört diese Dolchform zweifellos in die Zeit des Spätmittelalters, obwohl auch eine Verwendung in die 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts hinein möglich erscheint. In der Renaissance war das süddeutsche Dolchmesser jedoch schon unzeitgemäßer Vertreter einer früheren, archaischen Epoche in der Entwicklung des Dolches.

Wann die süddeutschen Dolchmesser erstmals auftauchen, kann nicht zweifelsfrei festgestellt werden. Ihre Ähnlichkeit zu den frühen schweizerischen Formen ist jedoch offensichtlich: Parallelen finden sich nicht nur in der Form der Klinge, sondern auch in der Existenz der kleinen Plättchen an den Klingenschultern, bzw. am oberen Griffende. Auch die Form des Griffes ähnelt sich; vor allem, was das seitlich ausgezogene, untere Griffende betrifft. Für die Vermutung, dass die süddeutschen Formen mit den schweizerischen verwandt sind, spricht auch die Nähe der beiden Fundgebiete. Sollte diese Verwandtschaft der Fall sein, so lässt sich vermuten, dass sich das schweizerische Dolchmesser um 1300 nach Süddeutschland verbreitete und sich hier in der 1. Hälfte des 14. Jahrhunderts zu einer eigenständigen Form entwickelte.

Aufgrund der Ähnlichkeit der Griffe ist auch eine Verbindung zwischen den süddeutschen Dolchmessern und frühen Nierendolchen möglich; diese weisen oft schmale, seitlich nach unten gezogene "Nieren" auf, wie sie auch bei den süddeutschen Formen üblich gewesen zu sein scheinen.

Für eine detaillierte Typologie mit unterschiedlichen Entwicklungsschritten gibt es noch nicht genügend Erkenntnisse zu dieser Dolchform, sodass nur der allgemeine Datierungsrahmen - 14./15. Jahrhundert - für sämtliche Exemplare gegeben werden kann.


Die Träger und der Gebrauch

Bei der Gruppe der süddeutschen Dolchmesser ist eine große Bandbreite an Formen und Ausführungen zu beobachten. Diese reichen von der schlichten Klinge mit Holzgriff bis zum aufwendig verzierten Exemplar mit komplexem Griff- und Klingenaufbau. Diese Mannigfaltigkeit lässt auf verschiedene Träger schließen: gewiss war das süddeutsche Dolchmesser, wie die meisten Dolchmesserformen, eher eine Waffe der niederen Stände, also der Bauern, Fuhrleute und der unteren Bürgersschicht. Diese nutzten deratige Dolchmesser für verschiedene Tätigkeiten, also neben ihrer primären Funktion - der als Waffe - auch für handwerkliche Arbeiten. Jedoch gehören die aufwendigeren Stücke, oft mit Zierfeilungen dekoriert, wohl eher zu einer höhergestellten Trägerschicht. Ob diese Dolchform auch beim Adel Verwendung fand, ist ungewiss - sicher ist hingegen, dass sich die Klinge auch zum Kampf eignete. Oft ist sie entsprechend mit Rückenschneiden oder verjüngtem Ort modifiziert, was sie zu einer einwandfreien Nahkampfwaffe macht. Funde in militärischem Zusammenhang unterstreichen die Verwendung des süddeutschen Dolchmessers als Seitenwaffe der Soldaten - möglicherweise auch des Rittertums.


Abgrenzung zu anderen Dolchformen

Häufig wird das süddeutsche Dolchmesser mit anderen Dolchformen verwechselt, so vor allem mit Scheiben- und Schweizerdolchen. Diese weisen jedoch deutliche Unterschiede auf.
Charakteristisch für den Scheibendolch ist eine breite, in ihrer Grundform kreisrunde Platte am unteren Griffende, also an den Klingenschultern. Diese überragt den Griff und dient zum Schutz der Hand, sowie als Möglichkeit zur Druckverstärkung beim Stich.
Beim süddeutschen Dolchmesser hingegen ragten die Plättchen nie über das Griffholz, sondern wurden stets vom Griff umschlossen. Sie erfüllen damit keine Schutzfunktion für die Hand, sondern lediglich eine fixierende für das Griffholz.
Der Schweizerdolch hingegen hat tatsächlich gewisse Ähnlichkeit mit dieser Dolchmesserform, doch weist auch er große Unterschiede auf: erstens haben die Plättchen eine andere Form und zweitens, was wichtiger ist, sind alle Schweizerdolche zweischneidig - selbst die frühesten Formen aus dem 13. Jahrhundert.
Auch Begriffe wie "Panzerstecher" oder "Gnadgott" finden sich für die süddeutschen Dolchmesser, doch diese Termina bezeichnen lediglich Klingenformen: dünne, spitze Klingen, die vor allem im 15. Jahrhundert in Gebrauch waren und für den Stich durch den gotischen Plattenharnisch entwickelt wurden. Derartige Klingen weisen die süddeutschen Dolchmesser jedoch nie auf.


Formenkatalog

Klingenaufbau

A1: Flache Klinge
A2: Klinge mit mehreren Hohlkehlen
A3: Klinge mit Rückenschneide
A4: Klinge mit einzelner Hohlkehle (Breite variiert)
A5: Zweischneidige Klinge (sehr selten)

Am häufigsten ist eine völlig flache Klinge. Dieser Aufbau macht nahezu 90% aller dem Autor bekannten Funde aus. Mehrfach sind auch Funde mit mehreren Hohlkehlen aufgetaucht, deren Gestaltung sich meist sehr ähnelt. Am seltensten sind zweischneidige Stücke; dem Autor ist lediglich ein Exemplar dieser Form bekannt.



Klingenformen

K1: Rücken und Schneide leicht gerundet und gleichmäßig zum Ort zulaufend
K2: Gebogene Schneide und gerader Rücken
K3: Rücken und Schneide gerade und gleichmäßig zu einem spitzen Ort zulaufend
K4: In der unteren Klingenhälfte deutlich stärker zum Ort hin verjüngend
K5: Gerade Schneide und gebogener Rücken

Die Form K1 ist am häufigsten, gefolgt von der Form K2. Sehr selten ist die Form K5.



Knaufformen

KP1: Rundoval
KP2: Spitzoval
KP3: Doppelzylindrisch
KP4: Rund
KP5: Achtförmig (zwei Rundungen)

Die Formen KP1 und KP2 sind etwa gleich häufig. Etwas seltener ist nur die Form KP3.



Befestigungsmöglichkeiten der Knaufplatten

Die Knaufplatten konnten auf mehrere Arten am Griff befestigt sein. Meist wurde das Angelende direkt mit der Knaufplatte vernietet, oft wurde die Angel jedoch durch ein Loch in der Platte hindurchgeschoben und dahinter mit einem Vernietknauf fixiert. Bei beiden Befestigungsmöglichkeiten können sich an der Knaufpaltte zwei bis vier Nieten befinden, die die Plättchen zusätzlich fixierten.



Griff

Dem Autor ist nur ein einziger Fund mit erhaltenem Griff bekannt. Dieser besteht komplett aus Holz, war aber ursprünglich möglicherweise mit Lederstreifen umwickelt. Er weist zwei zur Klinge gebogene, hörnchenförmige Ausbuchtungen auf.




Funde aus Bodenfundforum.net

Klinge, die zu einem süddeutschen Dolchmesser gehört haben könnte
Weitere mögliche Klinge eines südd. Dolchmessers (Form K3)
Weitere mögliche Klinge eines südd. Dolchmessers
Süddeutsches Dolchmesser der Form A2/K3
Klinge der Form K4
Süddeutsches Dolchmesser der Form A2/K1
Süddeutsches Dolchmesser der Form A1/K1 mit einer Knaufplatte des Typs KP5
Süddeutsches Dolchmesser der Form A2/K1 (oder K3)



© stekemest 2007

PS: Ich bin sehr an weiteren Funden dieser Dolchform interessiert. Bitte meldet alle Funde dieser Dolchform bei mir oder zeigt sie im Forum! Vielen Dank!

Bearbeitet von stekemest, 02.10.2007 - 11:29.



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