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ZITAT
Mythos Bernsteinzimmer - Buchbesprechung
Die preussischen Könige besassen mit ihren Länderein Ostpreussen und Memel einst die reichsten Bernsteinvorkommen - wahrscheinlich weltweit. Da nimmt es nicht Wunder, dass der prunkliebende König Friedrich I. sich für sein Berliner Schloss Wandvertäfelungen ganz aus Bernstein für einen seiner Räume anfertigen liess. Sein Nachfolger liebte mehr die Rüstungen und Soldaten als Kunst und Schmuck. So wurde das Bernsteintimmer an den russischen Zaren verschenkt. Geschenke zwischen den Herrschern waren aber eine Form des Handels - man erwartete ein erwünschtes Gegengeschenk. Der Zar schenkte Preussen einige Soldaten von besonderer Körperlänge für des Königs Garde.
Bis zum Zweiten Weltkrieg geschah nun nichts mehr Wesentliches mit dem Kunstwerk. Es schmückte einen Raum in Zarskoe Selo, der Sommeresidenz der Zaren, etwas ausserhalb von St. Petersburg. Letztere Stadt hiess schliesslich Leningrad als Truppen Hitlerdeutschlands sie belagerten. Während sie die stadt selbst nicht erobern konnten, brachten sie Zarskoe Selo vor den Toren der Stadt in ihre Gewalt. Das Bernsteinzimmer wurde abmontiert, und in das Schloss von Königsberg geschafft. Den einzelnen Stellungnahmen nachzugehen, ob das eher Rettung oder Raub war, ist relativ müssig. Letzteres ist allerdings wahrscheinlicher, zumal sich der Bernstein bei den Nazis als "germanischster" und "nordischster" aller Schmucksteine, besonderer Wertschätzung erfreute.
Im Königsberger Schloss verlieren sich jedenfalls die Spuren des Bernsteinzimmers. Aller wahrscheinlichkeit nach, ist es hier bei den Kämpfen um Stadt und Schloss verbrannt. Schliesslich ist Bernstein ein organisches Material, und damit im Unterschied zu den meisten anderen Schmucksteinen brennbar. Allerdings verbreiteten sich auch immer wieder Gerüchte von einem Abtransport nach Deutschland hinein in letzter Minute. Gesucht wurde da schon viel; fündig geworden ist noch keiner.
Inzwischen ist das Bernsteinzimmer in Zarskoe Selo wiedererstenden. Sowjetische bzw. russische Künstler haben in mühevoller Arbeit nach alten Fotos rekonstruiert. Ist das Auffinden des Originals eigentlich noch von so grosser Bedeutung? Kann nicht eine gute Kopie die gleiche ästhetische Wirkung oder künstlerische Aussage entfalten, wie das Original? Ist der Kult des Originals nicht nur eine Erfindung von Kunsthändlern, um Preise und Gewinne in die Höhe steigern zu können?
Letzteres mag zwar eine Rolle spielen, aber es stimmt doch nicht. Eine Kopie kann niemals mehr Informationen über ein altes Kunstwerk oder einen archäologischen Artefakt enthalten, als zum Zeitpunkt der Anfertigung bekannt sind. Ein Original kann hingegen inhärent noch tendenziell unendlich viele Informationen enthalten, nach denen wir heute noch nicht fragen gelernt haben, oder derer bzgl. wir noch nicht über die wissenschaftlich-technischen Methoden verfügen, sie zu erlangen.
Der Autor des besprochenen Buches "Mythos Bernsteinzimmer", Maurice Philip Remy, beschreibt die Geschichte des Bernsteinzimmers und vielfältigen Unternehmungen zu seiner Wiederauffindung, in einer spannenden und interessanten Art und Weise. Bei seinen Ausführungen zur Geschichte anderer bedeutender Kunstwerke in den Zeiten der Kriegswirren unterliefen ihm jedoch derartige Schnitzer, dass sie die Seriosität seiner Recherchen in Frage stellen.
So erzählt er uns z.B., dass der Pergamonaltar und die Büste der Nofretete 1945 von der Roten Armee in die Sowjetunion verbracht worden seien, und 1956 an die DDR zurückerstattet worden wären. Man sehe sich den Pergamonaltar an. In einem Stück kann man den nicht transportieren. Man müsste ihn in Stücke zerlegen, und das Museum um ihn herum demontieren. Tatsächlich wurde der Pergamonaltar als die Bombenangriffe auf Berlin begannen, lediglich im einen Berg von Sandsäcken gehüllt, um ihn einigermassen zu schützen. Er hat seit seiner Wiedererrichtung auf der Berliner Museumsinsel diesen Ort nie mehr verlassen.
Das mit der Nofretete ist nun fast noch ärger, denn er selbst gibt ihr in dem Buch noch eine zweite Geschichte. Nach der ist sie während des Krieges in ein Bergwerk nach Westdeutschland ausgelagert gewesen, wäre von US-amerikanischen Truppen aufgefunden worden, und an das Ägyptische Museum Berlin zurückerstattet. Da dieses Museum mittlerweile, wie die Stadt überhaupt, geteilt war, gelangte sie in den Westteil der Stadt. Diese Variante erschien mir als die richtige, habe ich doch dieses Kunstwerk zum ersten Mal erst nach dem Mauerfall in Charlottenburg bestaunen können. Auf die Museumsinsel kehrte sie erst 2005 zurück. Bei meinem kürzlichen Besuch im Alten Museum habe ich mir letztere Geschichte auch noch einmal ausdrücklich bestätigen lassen. Die Story mit ihrer Verbringung in die Sowjetunion und ihrer Rückerstattung an die DDR ist also purer Unfug.
Maurice Philip Remy: "Mythos Bernsteinzimmer"
Ullstein Heyne List GmbH & Co KG, 2003
Autor: Ulrich Mellenthin
E-Mail: ulrich.mellenthin@weltexpress.info
Abfassungsdatum: 30.01. 2007
Foto: Weltexpress
Verwertung: Weltexpress
Quelle: http://www.weltexpress.info
Update: Berlin, 30.01. 2007
Quelle: SDE und http://www.weltexpress.infoDie preussischen Könige besassen mit ihren Länderein Ostpreussen und Memel einst die reichsten Bernsteinvorkommen - wahrscheinlich weltweit. Da nimmt es nicht Wunder, dass der prunkliebende König Friedrich I. sich für sein Berliner Schloss Wandvertäfelungen ganz aus Bernstein für einen seiner Räume anfertigen liess. Sein Nachfolger liebte mehr die Rüstungen und Soldaten als Kunst und Schmuck. So wurde das Bernsteintimmer an den russischen Zaren verschenkt. Geschenke zwischen den Herrschern waren aber eine Form des Handels - man erwartete ein erwünschtes Gegengeschenk. Der Zar schenkte Preussen einige Soldaten von besonderer Körperlänge für des Königs Garde.
Bis zum Zweiten Weltkrieg geschah nun nichts mehr Wesentliches mit dem Kunstwerk. Es schmückte einen Raum in Zarskoe Selo, der Sommeresidenz der Zaren, etwas ausserhalb von St. Petersburg. Letztere Stadt hiess schliesslich Leningrad als Truppen Hitlerdeutschlands sie belagerten. Während sie die stadt selbst nicht erobern konnten, brachten sie Zarskoe Selo vor den Toren der Stadt in ihre Gewalt. Das Bernsteinzimmer wurde abmontiert, und in das Schloss von Königsberg geschafft. Den einzelnen Stellungnahmen nachzugehen, ob das eher Rettung oder Raub war, ist relativ müssig. Letzteres ist allerdings wahrscheinlicher, zumal sich der Bernstein bei den Nazis als "germanischster" und "nordischster" aller Schmucksteine, besonderer Wertschätzung erfreute.
Im Königsberger Schloss verlieren sich jedenfalls die Spuren des Bernsteinzimmers. Aller wahrscheinlichkeit nach, ist es hier bei den Kämpfen um Stadt und Schloss verbrannt. Schliesslich ist Bernstein ein organisches Material, und damit im Unterschied zu den meisten anderen Schmucksteinen brennbar. Allerdings verbreiteten sich auch immer wieder Gerüchte von einem Abtransport nach Deutschland hinein in letzter Minute. Gesucht wurde da schon viel; fündig geworden ist noch keiner.
Inzwischen ist das Bernsteinzimmer in Zarskoe Selo wiedererstenden. Sowjetische bzw. russische Künstler haben in mühevoller Arbeit nach alten Fotos rekonstruiert. Ist das Auffinden des Originals eigentlich noch von so grosser Bedeutung? Kann nicht eine gute Kopie die gleiche ästhetische Wirkung oder künstlerische Aussage entfalten, wie das Original? Ist der Kult des Originals nicht nur eine Erfindung von Kunsthändlern, um Preise und Gewinne in die Höhe steigern zu können?
Letzteres mag zwar eine Rolle spielen, aber es stimmt doch nicht. Eine Kopie kann niemals mehr Informationen über ein altes Kunstwerk oder einen archäologischen Artefakt enthalten, als zum Zeitpunkt der Anfertigung bekannt sind. Ein Original kann hingegen inhärent noch tendenziell unendlich viele Informationen enthalten, nach denen wir heute noch nicht fragen gelernt haben, oder derer bzgl. wir noch nicht über die wissenschaftlich-technischen Methoden verfügen, sie zu erlangen.
Der Autor des besprochenen Buches "Mythos Bernsteinzimmer", Maurice Philip Remy, beschreibt die Geschichte des Bernsteinzimmers und vielfältigen Unternehmungen zu seiner Wiederauffindung, in einer spannenden und interessanten Art und Weise. Bei seinen Ausführungen zur Geschichte anderer bedeutender Kunstwerke in den Zeiten der Kriegswirren unterliefen ihm jedoch derartige Schnitzer, dass sie die Seriosität seiner Recherchen in Frage stellen.
So erzählt er uns z.B., dass der Pergamonaltar und die Büste der Nofretete 1945 von der Roten Armee in die Sowjetunion verbracht worden seien, und 1956 an die DDR zurückerstattet worden wären. Man sehe sich den Pergamonaltar an. In einem Stück kann man den nicht transportieren. Man müsste ihn in Stücke zerlegen, und das Museum um ihn herum demontieren. Tatsächlich wurde der Pergamonaltar als die Bombenangriffe auf Berlin begannen, lediglich im einen Berg von Sandsäcken gehüllt, um ihn einigermassen zu schützen. Er hat seit seiner Wiedererrichtung auf der Berliner Museumsinsel diesen Ort nie mehr verlassen.
Das mit der Nofretete ist nun fast noch ärger, denn er selbst gibt ihr in dem Buch noch eine zweite Geschichte. Nach der ist sie während des Krieges in ein Bergwerk nach Westdeutschland ausgelagert gewesen, wäre von US-amerikanischen Truppen aufgefunden worden, und an das Ägyptische Museum Berlin zurückerstattet. Da dieses Museum mittlerweile, wie die Stadt überhaupt, geteilt war, gelangte sie in den Westteil der Stadt. Diese Variante erschien mir als die richtige, habe ich doch dieses Kunstwerk zum ersten Mal erst nach dem Mauerfall in Charlottenburg bestaunen können. Auf die Museumsinsel kehrte sie erst 2005 zurück. Bei meinem kürzlichen Besuch im Alten Museum habe ich mir letztere Geschichte auch noch einmal ausdrücklich bestätigen lassen. Die Story mit ihrer Verbringung in die Sowjetunion und ihrer Rückerstattung an die DDR ist also purer Unfug.
Maurice Philip Remy: "Mythos Bernsteinzimmer"
Ullstein Heyne List GmbH & Co KG, 2003
Autor: Ulrich Mellenthin
E-Mail: ulrich.mellenthin@weltexpress.info
Abfassungsdatum: 30.01. 2007
Foto: Weltexpress
Verwertung: Weltexpress
Quelle: http://www.weltexpress.info
Update: Berlin, 30.01. 2007
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