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Das archäologische Debakel von Rülzheim

Begonnen von Eckbert, 19.02.2018 - 16:37

# Ray

Ray
    • Mitglieds ID: 13.061
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Geschrieben 23.02.2018 - 09:31

Guten Morgen,

danke für Deine Antwort, Titus, und auch fürs Willkommen (obwohl ich schon seit Jahren Mitglied hier bin, habe ich normalerweise nicht die Zeit, auch hier zu posten).
 

Ich kann an vielen Stellen deinen persönlichen Standpunkt einfach nicht mehr herauslesen (dein Post im Forum macht es etwas klarer, ist am ursprünglichen Text für mich allerdings nicht so ersichtlich) - beschreibst du es aus DEINER Sicht/teilst du diese Ansichten - oder willst du darstellen, wie es im allgemeinen auf Seiten der Archäologen gesehen wird?


Das, was ich in dem Beitrag darstelle, ist (Großteils) die vorherrschende Sichtweise im Fach. Mit dieser stimme ich in manchen Punkten überein, in anderen nicht.

Z.B.:

Dass das Verhalten von Czerny im konkreten Fall "denkmalschädigend" war, ist sowohl die fachliche als auch meine Sicht. Weil im konkreten Fall - und nur um den geht es, wenn es um Czernys Verhalten im vor Gericht verhandelten Fall geht - hat Czerny ein 1 Meter tiefes Loch in den Waldboden gegraben, wo sich tatsächlich ein Hortfund im - ab wenigstens ca. 25 cm Tiefe weitgehend und ab spätestens 50 cm Tiefer ganz modern (im archäologischen Sinn) ungestörten Boden befunden hat. Dieser Hortfund war in dem Zustand, in dem er sich im Boden befunden hat, auch aus meiner Sicht ein archäologisches Denkmal; und Czerny hat seine Grabung, auch als die unter den modern gestörten Oberbodenhorizont weitergeführt wurde, weder aus archäologischer Sicht sachgemäß ausgegraben noch diese Ausgrabung sachgemäß dokumentiert. Damit war sein Verhalten in diesem konkreten Fall auch meiner Meinung nach denkmalschädigend. Das ist übrigens völlig unabhängig davon, wie man sein Verhalten dabei juristisch beurteilen will, soll oder muss.

Das im wesentlichen Gleiche trifft bezüglich "unsachgemäß aus dem Waldboden gerissen" zu. Dass er den Hort nicht dem Stand der archäologischen Grabungs-, Berge- und Dokumentationstechnik entsprechend aus dem Boden geborgen hat, spätestens als seine Grabung in den "ungestörten" Unterboden vorgedrungen ist, steht glaube ich fest. Eine Fundbergung kann aber sowohl aus fachlicher als auch meiner Sicht nur dann "sachgemäß" sein, wenn der archäologische Stand der Technik eingehalten wird. Mir ist dabei weitgehend egal, ob bei der Grabung nach der "traditionellen deutschen" Planums- bzw. Abstichgrabungsmethode oder nach der sich inzwischen weltweit in der Archäologie weitgehend durchgesetzt habenden "britischen" Schichtsgrabungsmethode vorgegangen wird: beides davon entspricht dem Stand der Technik, beides ist also "sachgemäß" (auch wenn ich persönlich die zweite Methode für besser als die erste halte). Aber den Schatzfund einfach ohne jedwede Grabungsmethodik (und damit verbundene Dokumentationsmethodik) mit dem Spaten aus dem Boden zu "schaufeln" ist weder die eine noch die andere noch eine noch irgendwo auf der Welt anerkannte archäologische Grabungsmethodik; und daher eine "unsachgemäße" Bergung.

Dass Czerny im ersten Verfahren "die üblichen Märchen" etc. aufgetischt hat, ist Fachmeinung.

Ich stimme dieser nur bedingt zu, nämlich insoweil, als auch meiner Meinung nach Czernys erste Verteidigung im ursprünglichen Verfahren tatsächlich höchst unglaubwürdig war. Dass er monatelang nicht erkannt hatte und erst umfassende Nachforschungen anstellen musste, um überhaupt herauszufinden, ob das Fundsachen waren, die einer Meldepflicht unterliegen, kann meiner Meinung nach nicht richtig sein; weil spätestens beim ersten Putzen muss er bemerkt haben, dass da haufenweise Edelmetallfunde dabei sind. Damit muss ihm spätestens beim Putzen klar gewesen sein, dass das ein Schatzfund ist, den er jedenfalls gem. § 965 Abs. 2 BGB der allgemeinen Fundmeldebehörde melden muss. Dazu braucht man keine monatelangen Nachforschungen anstellen und die Funde aus angeblicher Angst vor "Einbrechern" irgendwo anders als bei sich daheim verstecken.

Ich stimme der Fachmeinung in diesem Fall hingegen nicht zu, was andere Fälle betrifft. Tatsächlich halte ich die Behauptung vieler "ertappter" Metallsucher, nicht ausreichend genau gewusst zu haben, ob etwas, was sie gefunden haben, ein meldepflichtiges "Kulturdenkmal" ("Bodendenkmal", etc.) ist, für extrem glaubwürdig. Tatsächlich bin ich gerade dabei, einen weiteren Beitrag für meinen Blog fertigzustellen, wo ich das Problem anhand des Begriffs "Bodendenkmal" in § 8 Abs. 1 österreichisches DMSG darstelle; in dem ich zeige, dass der "Durchschnittsbürger" (als welche Sondler aus denkmalfachlicher Sicht zu sehen sind) im rechtlichen Sinn überhaupt nicht ausreichend genau wissen kann, ob das, was er gefunden hat (oder suchen will) ein "Bodendenkmal" im Sinne des DMSG ist. Anders gesagt: selbst wenn der Sondler das, was er sucht bzw. gefunden hat, subjektiv selbst für ein "Bodendenkmal" im Sinne des Gesetzes hält, liegt er bei der rechtlich erforderlichen objektiven Betrachtung so gut wie immer falsch; also irrt sich, wenn er glaubt, dass er eines gefunden hat. So gesehen, meiner Ansicht nach: die Behauptung vieler "ertappter" Sondler, nicht gewusst zu haben, ob sie Bodendenkmale suchen oder gefunden haben, ist damit sicher fast immer kein "Märchen".

Die nächsten beiden von DIr herausgegriffenen Zitate sind reine Fachmeinung; mit der ich gar nicht oder fast gar nicht übereinstimme.

"Was noch viel schlimmer ist" ist ebenfalls Fachmeinung, der ich teilweise zustimme, aber teilweise auch nicht. Zustimmen tue ich ihr insoweit, als es meiner Meinung nach aus archäologischer Sicht das völlig falsche Signal sendet, dass es in dem Fall gar nicht um die Archäologie sondern eigentlich rein um den Geldwert des Fundes gegangen ist. Dass man Czerny hingegen für seine "verbotene Raubgrabung" bestrafen hätte sollen, glaube ich nicht, weil ich nicht glaube, dass seine Grabung eine durch die Bestimmungen des DSchG-RP verbotene Grabung war. 

Der Punkt über den "Topos des von Neidern verfolgten Hans im Glück" ist nicht Fachmeinung, sondern eine von meiner Warte aus wertungsfreie Tatsachenbeschreibung.

Ich beschäftige mich jetzt seit etwa einem Jahrzehnt wissenschaftlich mit dem Thema "Sondengehen" und verfolge daher (und beteilige mich teilweise) auch ebenso lange (aktiv an) Diskussionen zwischen Sondlern untereinander, zwischen Sondlern und Archäologen, und Archäologen untereinander zur Thematik. Eine "Erkenntnis", die ich dabei gewonnen habe, ist die, dass das "Erzählmotiv" (= "Topos"), dass Sondler "von nichtskönnenden Archäologen verfolgt werden, die ihnen nur ihre tollen Funde neidig sind, weil sie selbst zu unfähig sind so tolle Sachen zu finden" eine die Selbstsicht vieler Sondler repräsentierende, von Sondlern sehr häufig wiedergegebene "Erklärung" für die Tatsache ist, dass viele Archäologen und insbesondere auch die staatliche Denkmalpflege euer Hobby "zu kriminalisieren" versuchen.

Dieses Erzählmotiv findet sich übrigens auch in Deiner ursprünglichen Kritik meines Beitrags als Abschlussbemerkung wieder:

 

 

Was hätten die Damen und Herren denn die letzten 20 Jahre spektakuläres vorzuweisen, wenn es keine Sondengänger geben würde? GAAAARNNNNNIIIIXXXXXXXXXX !!!!!!!!!!!!   Okay, das war jetzt übertrieben - es wären bestimmt schon mindestens 4 Knochen, 3 rostige Nägel und 20 Tonscherben zusammen gekommen....... [...] Aber nein, das geht ja nicht, weil die staatliche Gier in diesem Land einfach unersättlich ist. In diesem Land darf bzw. MUSS man eigentlich nur noch eines - möglichst viel Steuern abdrücken, damit das Geld verprasst werden kann. Alles nur erdenkliche ist entweder verboten oder man braucht eine beschissene Genehmigung und soll X-Leuten dafür den Arschlecken........

 

Dass es dieses Erzählmotiv gibt, ist meiner Meinung nach durchaus verständlich. Ebenso ist meiner Meinung nach sehr verständlich, dass und warum es unter Sondlern sehr verbreitet ist: aus "Eurem" Blickwinkel ist das eine absolut vernünftige Erklärung des Verhaltens der Archäologie und insbesondere der staatlichen archäologischen Denkmalpflege Euch gegenüber.

Denn dieses "archäologisch-denkmalpflegerische" Verhalten Euch gegenüber ist - außer aus einer sehr scheuklappenbehafteten archäologisch-fachlichen Sicht - sowohl vollkommen unvernünftig als auch kontraproduktiv und vor allem auch im Kontext des sonstigen (nicht Sondlerbezogenen) "archäologischen" Verhaltens in sich logisch vollkommen inkohärent. Bzw. einfacher gesagt: es ergibt (außer aus einer ganz spezifischen Innensicht des Faches) keinen nachvollziehbaren Sinn, sondern wirkt wie Irrsinn (was es meiner Meinung nach auch tatsächlich ist).

Dieses - aus Eurer Sicht jedenfalls - irrsinnige archäologisch-denkmalpflegerische Verhalten müsst auch Ihr Euch irgendwie "erklären", weil Ihr kennt ja fast alle doch irgendwelche ArchäologInnen, und die wirken im normalen Umgang - d.h. so lange sie nicht über das Thema "Sondeln" zu reden beginnen - zumeist wie ganz normale, vernünftige Menschen (weil sie das auch normalerweise sind), oft sogar wie durchaus intelligente und gebildete Menschen, die persönlich sehr umgänglich sind. Aber dann zucken sie völlig aus, wenn das Thema "Sondeln" angesprochen wird. Das ist komisch und muss daher irgendwie - eben aus Eurer Sicht - erklärt werden, weil sich diese Archäologen dann oft auch, wenn es um das Thema geht, in offensichtliche (wenigstens scheinbare, eventuell sogar wirkliche) Selbstwidersprüche verwickeln.

Da bietet sich dann die - aus der allgemeinen Lebenserfahrung der meisten Menschen abgeleitete - Erklärung an, dass der, der normalerweise recht normal ist, aber dann gerade bei einem Thema so vollkommen irre auszuckt, eben neidig oder eifersüchtig auf irgendjemanden ist. Und nachdem es bei den Auszucken regelmäßig darum geht, dass "Ihr" "uns" (angeblich) "Funde stehlt", die (angeblich) "der Allgemeinheit" gehören aber die "wir" bekommen müssen, damit "wir" sie "für die Allgemeinheit vor der Allgemeinheit schützen" können, liegt der Verdacht extrem nahe (und ist auch tatsächlich wenigstens teilweise die richtige vernünftige Erklärung dieses irren Verhaltens), dass "wir", weil wir diese Funde nicht finden, sie "Euch", die "Ihr" sie schon findet, neidisch sind.

Dieser Gedankengang - der vollständig vernünftig und auch vollkommen nachvollziehbar ist - führt aber zwingend zum Erzählmotiv vom "von nichtskönnenden Neidern verfolgten Hans im Glück". Und dieses Erzählmotiv passt dann auch extrem gut zur Selbstsicht vieler Sondler, die nicht nur aus dem Finden wenigstens ein gewisses "Glücksgefühl" gewinnen, sondern auch wissen, dass man auch mit der Sonde, um etwas "Tolles" zu finden, tatsächlich "Glück" haben muss. Damit hat man eine perfekte Erklärung für den Wahnsinn der ArchäologInnen, die hervorragend mit den eigenen Lebenserfahrungen von Sondlern zusammenpasst.

Und mit genau diesem Motiv hat Czerny - ob nun bewusst oder unbewusst - geschickt gespielt, um sich sein eigenes Geschäft aufzubauen.

Das alles sehe ich - wie gesagt - völlig wertfrei. Das alles ist meiner Meinung nach weder gut, noch schlecht, sondern ist einfach so; und zwar vollkommen nachvollziehbarer und logischer Weise.

Was ich nicht wertfrei sehe, ist, dass die archäologische Fachwelt und insbesondere die staatliche Denkmalpflege das alles nicht "sieht"; meiner Meinung nach, weil sie es nicht sehen will. Weil scheinbar haben der Großteil der Fachwelt und staatlichen Denkmalpflege nicht das mindeste Interesse daran, was Ihr glaubts, Euch denkts, wollts, etc.; sondern glauben zu wissen, was "die Wahrheit" und "objektiv (auch moralisch) richtig und falsch" ist, die sie allen anderen aufzwingen wollen, dürfen, und sogar müssen. Fachwelt und Denkmalpflege sehen die Situation großteils als manichäischen Konflikt zwischen den "guten Wahrheitswissenden" (= "uns") und den "bösen Wahrheitsunwissenden" (= "Euch"). Daher betreiben sie auch keine Sachpolitik in der Frage - d.h. überlegen sich weder, was besser und was schlechter für die Archäologie wäre, fragen sich auch überhaupt nicht, was ihr eigentlich (erreichen) wollts, und suchen auch überhaupt nicht nach "für beide Seiten gangbaren" Kompromisslösungen oder sogar "dritten Wegen", bei denen eine win:win-Situation für alle rauskommen könnte - sondern Identitätspolitik. Resultat ist eine dauernde, unnötige Polarisierung, die für alle und insbesondere "die Sache", d.h. die archäologischen Funde und Befunde, um die es letztendlich geht, schädlich ist. Und das halte ich für extrem schlecht und schädlich.

 

 

 

Für mich machst du die Sondengänger, an diesen Stellen genauso schlecht wie es die meisten Archäologen auch tun, zumindest unterschwellig. Und das ist ja nicht deine Intention,wie du bereits dargelegt hast.
Es mag natürlich sein, dass ich das vollkommen falsch interpretiere.


Ich glaube, dass Du mich da tatsächlich falsch interpretierst. Um "die Sondengänger" geht es mir im konkreten Beitrag überhaupt nicht; sondern um ein Gerichtsverfahren gegen einen Sondengänger und darum, was die Archäologie in diesem konkreten Fall falsch gemacht hat. Ich mache daher auch keineswegs "die Sondengänger" irgendwo schlecht. Wenn überhaupt könnte ich nur Czerny persönlich schlecht machen, und das tue ich meiner Meinung nach auch nicht.

Dass ich zur Analyse der Fehler der Archäologie und Denkmalpflege in diesem Fall natürlich die Sache (wenigstens auch) aus dem Blickwinkel des Faches betrachten muss (und daher "negatives" über Czerny und sein Verhalten schreibe und "negative" archäologische Fachmeinungen dazu auch darstelle), versteht sich von selbst und lässt sich nicht vermeiden. Weil wenn ich das nicht sage, dann kann man ja auch gar nicht sehen, wie diese (meiner Meinung nach eben teilweise richtigen, teilweise aber auch falschen) Einschätzungen zu den Fehlern führen, die begangen wurden.

Fortsetzung folgt...

Liebe Grüße,

Ray