Inhalte aufrufen



Willkommen auf dem Bodenfundforum.com
Du bist nicht angemeldet oder registriert! Gäste können bei weitem nicht alle Funktionen des Forums nutzen. Bitte melde dich an oder klicke hier um dich kostenlos zu registrieren!

Fund von Youtube bestimmen

Begonnen von chilloutmunich, 12.09.2014 - 23:05

# konrad

konrad
    • Mitglieds ID: 7.188
  • 300 Beiträge
  • Dabei seit 24-04 08
  • 5 Themen
  • 178

Spender

Geschrieben 13.09.2014 - 10:24

Rembrandt und ein Siegel aus Wangen

WANGEN - Was hat Rembrandt, einer der größten Künstler aller Zeiten, mit
Wangen zu tun? Viel mehr, als auf Anhieb zu vemuten wäre. Der Fund einer
kleinen, mysteriösen Scheibe bringt ihn direkt mit dem Städtchen im Allgäu
in Verbindung — und das 355 Jahre, nachdem er seine berühmte Radierung
„Faust“ geschaffen hat.


M. (Name der Redaktion bekannt) war ein Mädchen. Etwa zehn Jahre alt. So
genau weiß sie das nicht mehr. Denn heute ist sie 39 und ihre Entdeckung
liegt Jahrzehnte zurück. Doch sie hat das Erlebte nie vergessen: M.
spielte allein im Garten des Elternhauses. Auf der Berger Höhe an einer
Böschung zwischen zwei Bäumen grub sie, wie Kinder es so tun, ein Loch.
Sie wollte einfach schauen, wie tief sie kommen würde. In etwa 50
Zentimeter Tiefe stieß sie auf einen Gegenstand —°und erschrak vor lauter
Neugier und Entdeckerfieber.

Verschlüsselte Worte

M. barg die kleine Scheibe und brachte sie stolz zu ihrem Vater. Der
vermutete, dass es sich um eine Art Siegel handelte. Er holte Siegelwachs
und probierte es mit seiner Tochter aus. Gemeinsam machten sie einen
Abdruck, der Erstaunliches zu Tage förderte — ein Anagramm, also ein
Wortspiel mit verdrehten Buchstaben.
Der Abdruck im Wachs zeigte deutlich:
Das Siegel besteht aus drei konzentrischen Kreisen. Im innersten, verteilt
zwischen die Schenkel eines Andreaskreuzes, sind die Buchstaben „INRI“ zu
erkennen, im zweiten Kreis die verschlüsselten, lateinisch anmutenden
Worte „DAGERAM ADAM TE“. Im äußersten Kreis ist zu lesen „ALGAR ALGASTNA
AMRTET“. Vater und Tochter konnten sich darauf keinen Reim machen und
gingen der Sache nicht weiter nach.

Identisch mit Rembrandt-Werk

M. bewahrt das Siegel seit Kindesbeinen bei sich. Der Fund hat für sie
etwas Geheimnisvolles, „etwas Gutes“, das sie nicht näher beschreiben
kann. Dabei hätte sie es bewenden lassen können. Aber immer wieder fragte
etwas in ihr: Wer hat das Siegel benutzt? Warum? Was bedeutet es? Wie alt
ist es? Lange Jahre hat M. mehrfach versucht, die Worte mit Hilfe von ihr
vertrauten Menschen aus ihrer süddeutschen Heimat zu entziffern —
erfolglos. Seither lässt sie die Frage nicht mehr los: Was habe ich damals
ausgegraben?
Aber der Fund bleibt bis heute rätselhaft. Niemand kennt seinen Wert,
sein tatsächliches Alter. Doch fest steht: Die Scheibe, vielleicht ein
Siegel, eine Münze oder eine Art Stempel, ist sehr alt und lässt sich
direkt mit Rembrandt in Verbindung bringen.
Der Künstler hat 1652, also im
Alter von 46 Jahren, eine Radierung geschaffen, die in der Kunstgeschichte
zunächst unter dem Titel „Der Gelehrte“ firmierte, später dann als
„Faust“ oder auch als „Der Alchemist“. In seiner typischen Art gestaltet,
zählt das Blatt zu den bekanntesten unter den rund 300 Radierungen, die
uns der Künstler im Laufe seines 63 Jahre währenden Lebens hinterlassen
hat. Das Außergewöhnliche daran ist aber: Auf Rembrandts Kunstwerk ist in
Form einer Lichterscheinung genau jene Scheibe abgebildet, die M. in ihrem
Garten gefunden hat. Der „Alchemist“ Rembrandts schaut zum Fenster, an dem
in der rechten Bildhälfte eine schemenhafte Gestalt steht, die einen
Spiegel in der Hand hält. Das durch das Fenster hereinfallende Licht
spiegelt sich darin und reflektiert die Scheibe mit dem Anagramm. Die
Aufteilung des Siegels in drei ineinander liegende konzentrische Kreise
und die darin zu lesenden Worte sind identisch mit der Wangener Scheibe.

Anspielung auf Paulus-Brief?

Nicht geklärt ist bislang, ob es das Anagramm schon vor Rembrandt gab, ob
er es von irgendwoher kannte, oder ob er es selbst erfunden hat. In der
Forschung gibt es dazu kaum Aussagen. Allerdings liegt eine
Entschlüsselung vor, die auf einen gewissen Martin Bojanowski zurückgeht.
Er will das Rätsel um die Worte in seiner Schrift „Das Anagramm in
Rembrandts Faust“ (1938) gelöst haben, und der Göttinger Germanist
Professor Albrecht Schöne hat es in seinem Faustkommentar von 1994 wie
folgt gedeutet: „INRI“ steht für den Text der Kreuzestafel „Jesus
Nazarenus Rex Judaeorum“ („Jesus von Nazareth König der Juden“), „DAGERAM
ADAM TE“ steht für „Adam Te Adgeram“ („Mensch, ich (Christus), werde Dich
hinführen“ (zu Gott)) und „ALGAR ALGASTNA AMRTET“ für „Tangas Larga Latet
Am(o)r“ (Berühren magst Du vieles, verborgen bleibt die Liebe“ (Gottes)).

So sind laut Schöne die Worte des Anagramms eine Anspielung auf den 1.
Korintherbrief,
13,2. Dort heißt es: „Und wenn ich weissagen könnte und
wüsste alle Geheimnisse und alle Erkenntnis (...) und hätte der Liebe
nicht, so wäre ich nichts“. Mit diesem Paulus-Zitat ist aber auch eine
Kernaussage von Goethes „Faust“ angesprochen. Bemerkenswert scheint in
diesem Zusammenhang, dass Goethe für die Ausgabe von 1790 den
Kupferstecher Johann Heinrich Lips ein Duplikat der Rembrandt-Radierung
als Titelblatt anfertigen ließ, allerdings spiegelverkehrt.

Für Forschung hochinteressant

Barockspezialist Schöne hält es für kaum wahrscheinlich, dass es sich bei
dem Fund um eine Münze oder einen Stempel handelt. „Gestempelt haben die
Menschen im 17. Jahrhundert nicht“, sagte er gegenüber der „Schwäbischen
Zeitung“. Allerdings könnte es sich bei der Scheibe um einen Prägestempel
für Münzen handeln, vielleicht aber auch um Zierrat aus einem Möbelstück.
„Vielleicht war es auch eine Art Geheimzeichen“, sagt er.
Schöne ist sich nicht sicher, ob Rembrandt sich das Zeichen selbst
„blanko ausgedacht“ hat. „Es könnte Vorlagen geben“, vermutet er. Auf
jeden Fall hält er das in Wangen gefundene Zeichen für sehr bedeutsam.
„Entweder ist es eine scherzhafte, geheimnistuerische Nachbildung nach
Rembrandt, oder es ging ihm voraus und war eine Vorlage für den Künstler.
Der Fund ist für die Rembrandt-Forschung hochinteressant, und es lohnt
sich, ihm auf den Grund zu gehen.“

Künstler verließ die Heimat nie

In Wangen ist man bisher in der Frage, was es mit der Scheibe auf sich
haben könnte, nicht weitergekommen. „Der Fundort gibt Rätsel auf“, sagt
Stadtarchivar Dr. Rainer Jensch. An dieser Stelle hat es keine
historischen Bauten gegeben, aus denen die Scheibe stammen könnte.
Allerdings wurde dort früher Abbruch aus anderen Häusern vergraben.
Gemutmaßt wurde schon, das seltsame Stück könnte aus dem ehemaligen
Kapuzinerkloster stammen, aber zu beweisen ist es nicht. Dass Rembrandt in
Wangen war, ist übrigens ausgeschlossen. Der Künstler hat Holland nie
verlassen.
Renommierte Einrichtungen wie das Rembrandt-Haus (Museum Het
Rembrandthuis) in Amsterdam oder „The Netherlands Institute for Art
History (RKD)“ können spontan keine Auskunft geben, worum es sich bei der
Scheibe und dem Anagramm handelt. Auch die Fragen, ob das Anagramm von
Rembrandt selbst entworfen wurde, ob er es von irgendwoher kopiert hat,
oder ob Siegel aufgrund seiner Vorlage entworfen wurden, bleiben offen.
Die Beantwortung bedürfe umfangreichererer historischer Recherchen von
Spezialisten, verlautet es aus beiden Häusern in ersten Stellungnahmen.

Finderin hofft auf neue Hinweise

So muss die Scheibe von Wangen vorerst ein Mysterium bleiben. Entdeckerin
M. hofft freudig gespannt auf Neues zu ihrem Fund und hütet ihn derweil
„wie einen Schatz“. Sie möchte selbst nicht an die Öffentlichkeit gehen,
aber hat dem Wangener Stadtarchiv und der „Schwäbischen Zeitung“ ein Foto
zur Verfügung gestellt. „Ich wäre froh, wenn sich das Rätsel lösen ließe“,
erklärt sie.