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Das archäologische Debakel von Rülzheim

Begonnen von Eckbert, 19.02.2018 - 16:37

# Ray

Ray
    • Mitglieds ID: 13.061
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Geschrieben 23.02.2018 - 10:32

Fortsetzung:

Das glaubst du doch selbst nicht!? Wenn ein Fund gemacht wird - wird er hochgelobt und ist fast unbezahlbar - es werden am besten gleich Millionenwerte in den Raum gestellt. Geht es dann plötzlich um eine eventuelle Entschädigung des Grundeigentümers (oder sonst wem) - tja dann, ja dann sieht die Sache gaaaaaaanz anders aus. Immer schön das Fähnchen drehen, wie es grad beliebt...die Sache mit dem Pferdekopf in Waldgirmes ist ein gutes Beispiel dafür.

 

Ich glaube das nicht nur, ich weiß das, weil ich hunderte, wenn nicht tausende ArchäologInnen kenne und weiß, wie die darüber denken.

Was die überwältigende Mehrheit der ArchäologInnen tatsächlich will, ist, dass Funde, die sie als "archäologische Funde" betrachten, überhaupt keinen wirtschaftlichen Wert zugewiesen bekommen sollten, sondern einfach generell dem Staat (als Vertreter "der Allgemeinheit") gehören und generell als "res extra commercium" (d.h. nicht wirtschaftlich handelbare = unverkäufliche Güter) betrachtet werden sollten. Aus fachlicher Sicht (und damit auch aus Sicht der staatlichen archäologischen Denkmalpflege) haben archäologische Funde immer einen ganz genau bestimmten, immer ganz genau gleichen wirtschaftlichen Wert, nämlich exakt € 0 (in Worten: Null); vollkommen gleichgültig, was der Fund nun genau ist. Er kann ein 1 cm2 großes Fragment einer Tonscherbe sein, oder eine aus 500 Kilo reinem Gold bestehende, künstlerisch extrem aufwändig gestaltete, uralte und völlig einzigartige Statue sein, aber sein Geldwert ist und bleibt aus archäologischer Sicht exakt Null.

Relevant soll aus archäologischer Sicht nur der "wissenschaftliche" bzw. der "Denkmalwert" des Fundes sein (was aus archäologischer Sicht letztendlich exakt dasselbe ist), und jeder solche Fund, egal was er ist, gehört - wie auch der junge Indiana Jones im dritten Film so schön sagt - "in ein Museum"; und zwar (idealerweise) ein Museum, das er öffentlichen Hand gehört, die in dieser Beziehung eben "die Allgemeinheit" bzw. sogar "die Menschheit" in ihrer Gesamtheit vertritt. Ein solches Museum - siehe auch den ICOM Code of Museum Ethics - soll solche Funde dann auch "für immer" aufheben und darf die (eigentlich) auch ganz und gar nie mehr an jemanden anderen als ein anderes Museum abgeben und schon gar nicht verkaufen; außer die Sache ist so kaputtgegangen, dass man sie ohnehin nicht mehr erhalten kann, in welchem Fall sie endgültig entsorgt (= geschreddert und in eine Mülldeponie verlagert) werden muss.

Oder, einfacher gesagt: jeder archäologische Fund muss in ein öffentliches Museum oder vernichtet werden. Alles andere ist "archäologisch" verboten und/oder ist daher oder sollte wenigstens auch gesetzlich verboten sein.

Dummerweise ist das in unseren Rechtssystemen (bisher) nicht so (und viele ArchäologInnen arbeiten daher, weil es noch nicht so ist, aktiv daran, dass es auch in unseren Rechtssystemen so werden soll), und daher kann es - weil unsere Rechtssysteme eben eigentlich etwas ganz anderes vorsehen, nämlich entweder freies Aneignungsrecht des Finders, oder hadrianische Fundeigentumsteilung, oder automatischer Eigentumserwerb durch den Grundeigentümer - zu Rechtsstreitigkeiten um Eigentumsansprüche an Sachen kommen, an denen aus fachlicher Sicht niemand einen Eigentumsanspruch haben kann.

Diese in solchen Fällen umstrittenen archäologischen Funde können damit zwar aus fachlichen Sicht überhaupt keinen wirtschaftlichen Wert haben; aber aus rechtlicher Sicht muss ihnen durch die staatliche archäologische Denkmalpflege ein solcher Geldwert zugewiesen werden, weil das unser Rechtssystem nun einmal so vorsieht. Daher muss die staatliche archäologische Denkmalpflege in solchen Fällen etwas tun, was sie aktiv nicht tun will und auch sachlich für falsch hält; und daher versucht sie in solchen Fällen immer, die gesetzlichen Verpflichtung, die sie hat, aber nicht erfüllen will, so umzudeuten, dass sie aus archäologischer Sicht doch irgendwie zum Vorteil der "Erhaltung der archäologischen Denkmale" verwendet werden kann.

Damit können das die zuständigen FachbeamtInnen nämlich vor sich selbst und ihren KollegInnen moralisch rechtfertigen: sie weisen - in ihrer eigenen und der gesamtfachlichen Sichtweise ihres Verhaltens - der Sache eigentlich gar keinen Geldwert zu, sondern nutzen die gesetzlich nun einmal erforderliche Zuweisung eines Geldwertes an die Sache dazu, ein denkmalpflegerisches Ziel zu erreichen; meist eines, das sonst nur schwer oder gar nicht erreichbar zu sein scheint. Das kann dann der "Publicityeffekt" sein, der sich aus einer besonders hohen Geldwertbewertung eines "Sensationsfundes" gewinnen lässt; oder der "Strafhöhenveränderungs-" und damit höhere "Raubgrabungsabschreckungseffekt", der sich eventuell damit gewinnen lässt; oder aber auch der "Denkmalrettungskostensenkungseffekt", der sich in anderen Fällen durch eine besonders niedrige Geldwertbewertung des Fundes erzielen lässt.

Wieviel die Fundsache tatsächlich (am freien Markt für alte Kunstgegenstände) erzielen lässt, interessiert die meisten ArchäologInnen und staatlichen DenkmalpflegerInnen in diesem Kontext überhaupt nicht; und mehr noch, sie haben auch nicht die mindeste Idee, wie sich dieser überhaupt ermitteln bzw. "schätzen" lässt. Das zeigen sowohl der Fall "Waldgirmes" als auch der Fall "Rülzheim" in aller Deutlichkeit. In beiden sind nämlich die Schätzwerte, die die staatliche Denkmalpflege jeweils angesetzt hat, für den Fachmann vollkommen transparenter Weise reine Fantasiezahlen.

Bei Waldgirmes sieht man das besonders schön, wo ja die erste Schätzung durch den damaligs zuständigen Landesarchäologen € 3 Millionen war. Der hat dafür nicht einmal in einen Auktionskatalog geschaut, sondern einfach aus dem Bauch heraus eine willkürlich gewählte große Zahl genommen, weil worum es bei der "Schätzung" gegangen ist war eben der "Publicityeffekt"; und da ziehen € 3 Mille weit mehr als: "Naja, ich weiß nicht genau, vielleicht ein größerer Geldbetrag, aber dazu müsste ich erst genauer Auktionskataloge der letzten 10 Jahre auf Rufpreise durchsuchen und idealerweise dann auch die tatsächlichen Verkaufspreise von den Auktionshäusern ermitteln; und das wird schwer, weil was vergleichbares wird wohl in den letzten 10 Jahren kaum überhaupt zur Auktion gekommen sein"; oder gar "meiner Meinung nach ist der Fund wirtschaftlich überhaupt nix wert". 3 Mille bringen den Fund in alle Zeitungen Land auf, Land ab, das unspezifische Geschwafel hingegen nicht einmal ins Lokalblatt.

Als dann aber der Grundeigentümer plötzlich tatsächlich seine ihm dann zustehenden € 1,5 Mille Grundeigentümerhälfte wollte, hat das Landesamt einfach seine Argumentation umgedreht und plötzlich behauptet, der Kopf sei in Wirklichkeit praktisch gar nix wert; vor allem nach Abzug der hohen Restaurierungskosten. Ziel war da nun die "Denkmalrettungskostensenkung", weil eigentlich wollte das Landesamt ja sowieso ein staatliches Schatzregal (und hat es ungefähr zu dieser Zeit dann auch gekriegt) und eben gar nix für "Denkmalfunde" zahlen, weil die ja aus fachlicher Sicht sowieso "keinen Geldwert" haben (dürfen). Man hat sich also eine neue Fantasiezahl ausgedacht, die besser zu dem Ziel passt (und ist damit dann glücklicherweise vor Gericht eingefahren, weil das Fähnchendrehen des Amtes auch dem Gericht offensichtlich hochgradig dubios erschienen ist).

Bei Rülzheim war das Ziel der staatlichen Denkmalpflege hingegen der "Abschreckungseffekt". Bekanntermaßen ist beim Delikt der Unterschlagung die Strafe gewöhnlich umso höher, desto höher der dadurch dem Geschädigten verurschafte wirtschaftliche Schaden ist, weil letztendlich ist die Unterschlagung aus strafrechtlicher Sicht ein Eigentums- bzw. Wirtschaftsdelikt. Also hat die staatliche Denkmalpflege den Wert so hoch als möglich geschätzt, indem sie den bekanntermaßen Fanatsiezahlen darstellenden Versicherungswert der Funde als Museumsstücke als Grundlage für ihre Geldwertschätzung herangezogen hat; obwohl eigentlich jeder, der von der Materie etwas versteht, weiß, dass es bei der Unterschlagung immer nur um den (bei "besonderen" Museumsstücken in der Regel deutlich niedrigeren) Verkehrwert der Stücke gehen darf. 

Das "Fähnchendrehen" in allen solchen Fällen hat also überhaupt nix damit zu tun, dass die Archäologie oder die staatliche Denkmalpflege dem Staat Geld oder Mühe sparen wollen, sondern nur damit, dass sie den "Geldwert" archäologischer Funde ebenso wie die Möglichkeit des Bestehens eines privaten Eigentumsanspruchs (und sei es nur ein Teileigentumsanspruch) aus fachideologischen Gründen völlig negiert; und den "Schätzwert" zu ganz anderen Zwecken als der Ermittlung der "Wahrheit" im jeweiligen Gerichtsverfahren nutzt, nämlich eben zu "denkmalpflegerischen" Zwecken.

Wie das jetzt rechtlich zu beurteilen ist, kann sich jeder selber überlegen. Ethisch ist es jedenfalls höchstgradig bedenklich, vor allem auch fachethisch, weil es gegen das zentrale Regulativ wissenschaftlicher Integrität (die schonungslose Wahrheitssuche) verstößt. Dazu schreibe ich irgendwann einmal in absehbarer Zeit auch noch einen Blogbeitrag...


So, und nun noch ganz zum Schluss; was die "Schwanzlängenvergleiche" betrifft: mir ist egal und mich interessiert auch gar nicht, welche Seite sie begonnen hat. Meiner Meinung nach sind sie vollkommen sinnlos, weil wir, wenn wir das tun, unterschiedliche Schwänze anhand vollkommen unterschiedlicher Maßstäbe miteinander zu vergleichen versuchen. Und das kann zu keinem sinnvollen Ergebnis führen.

Liebe Grüße,

Ray