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Wenn Troubadix die Karnyx bläst ...


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Chuadach

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Hallo Leute, hier mal ein Artikel, den ich beim Stöbern nach News gefunden habe.

Wenn Troubadix die Karnyx bläst ...

Die eigenwillige keltische Kunst ist uns hinreichend bekannt. Hochentwickelte Metallarbeiten können wir beim Ess- und Trinkgeschirr ebenso wie bei Fibeln beobachten. Bildliche Darstellungen auf Gefäßen geben uns Hinweise auf die geistige Vorstellungswelt. Was aber wissen wir über die Musik der Kelten?

Die Musikkultur der frühen Metallzeiten wird durch eine Vielzahl von Musikinstrumenten nachgewiesen. Hierzu gehören Blasinstrumente aus Holz und Knochen sowie Instrumente mit Saitenbespannung. Instrumente aus Metall sind durch ihr Material weitaus besser nachzuweisen, als solche aus vergänglichen organischen Substanzen. Schon in der frühen Metallzeit waren Blasinstrumente aus Metall in ganz Europa, im Vorderen Orient und in Nordafrika verbreitet. Bekannt sind zwei kostbare Trompeten aus dem Grab von Tut Anch Amun, Luren aus Nordeuropa, Bronzehörner aus Irland und große gebogene Hörner aus Etrurien.

Bei den Kelten der späten La-Tène-Zeit wurde ein eigentümliches Instrument verwendet, das sowohl durch die Spielhaltung als auch durch seine Gestalt eine Sonderstellung einnimmt. Über diese keltische Kriegstrompete berichteten bereits griechische Quellen. Sie beschreiben καρνον - "karnon" oder καρνυξ - "karnyx" als ein Instrument mit bleifarbener Röhre, das am Schallbecher einen "Tierrachen" habe (vgl. Piggott 1959: 19, Anm. 1). Erste Hinweise für den Gebrauch derartiger Instrumente bei den Kelten erhielt man 1891, als im Moor von Gundestrup/Århus (Dänemark) ein Silberkessel geborgen wurde, auf dem mythische Darstellungen, schamanistische Mensch-Tier-Figuren und Szenen mit Kriegern abgebildet waren. Der Silberkessel gilt als Beutestück, das im Moor den Göttern geopfert wurde. Auf einer der Szenen stehen bei einem kriegerischen Aufmarsch mit einer Opferdarstellung drei Figuren, welche ein Instrument mit aufgesetztem Tierkopf an die Lippen halten.

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Abb. 1: Karnyxspieler auf dem Kessel von Gundestrup, Dänemark.


Funde als Opfer der Wissenschaft

Ein vollständig erhaltenes Instrument dieser Art wurde bisher nicht gefunden. Durch einige aufgetauchte Fragmente ist der archäologischen Nachweis der keltischen Kriegstrompete jedoch gegeben. Bereits 1786 wurden im Fluss Witham/Tattershall (England) einige Bronzeobjekte gefunden. Dies waren unter anderem eine Schwertscheide, einige Speerspitzen und Beile, eine römische Patera sowie eine Metallröhre mit Schalltrichter (Abb. 2). Zehn Jahre nach der Auffindung wurden die Funde von G. Pearson untersucht. Er zeichnete die Objekte sorgfältig und machte sich zur Aufgabe, die technische Beschaffenheit der Gegenstände zu erforschen (vgl. Piggott 1959: 20). Um die Zusammensetzung der verschiedenen Bronzen einer Analyse zu unterziehen, hielt er es dann bedauerlicherweise für nötig, Teile der Sammlung der Wissenschaft zu opfern - "sacrifice to chemical analysis" (vgl. Piggott 1959: 20), das heißt, sie einzuschmelzen. Aus diesem Grunde sind uns nur die Aufzeichnungen und Illustrationen Pearsons und die einer Nachuntersuchung von C. W. Phillips von 1934 erhalten.

Neben diesen Fund eines Karnyx-Schallrohres kann als Gegenstück der Fund eines in Bronze gefertigten Eberkopfes gestellt werden. Er wurde 1816 in Deskford (Schottland) in einer Torfschicht gefunden (Piggott 1959: 24). Die Bronze ist zu einer Röhre von 14 cm Durchmesser gebogen und ist insgesamt 22 cm lang. In die Bronze wurden Augen modelliert und ein aufgesperrter Tierrachen nachgeformt (Abb. 3). Zuerst wurde dieser Fund als Helmaufsatz interpretiert (nach J. A. Smith 1867), nach S. Piggott könne der Eberkopf jedoch nur als Tierrachen einer Karnyx gedient haben (Abb. 4). Der Kiefer soll ursprünglich beweglich und mit einer durch Federn beweglichen Zunge ausgestattet gewesen sein (Piggott 1959: 24ff). Diese würden beim Spielen vibrieren und möglicherweise einen schnarrenden Effekt erzeugen. Die Zunge ist leider verloren gegangen und H. Birkhahns Einschätzung trifft wohl auf die Deskford-Karnyx gleichermaßen zu wie auf die aus Tattershall, wenn er bemerkt: "Der interessante Fund hat seit seiner Auffindung [...] mehr gelitten als in den fast 2000 Jahren davor!" (Birkhahn 1999: 58).

Angehängte Datei  karnyx2.jpg   13,02K   21 Mal heruntergeladen
Abb. 2: Originalzeichnung der Karnyxfragmente aus Tattershall, England

Angehängte Datei  karnyx3.jpg   15,59K   23 Mal heruntergeladen
Abb. 3: Eberkopf aus Bronze (Deskford, Schottland)

Angehängte Datei  karnyx4.jpg   14,3K   22 Mal heruntergeladen
Abb. 4: Schallrohr mit Eberkopf, Rekonstruktionszeichnung


Akustisches Kriegsgerät und sakrales Instrument

Wie die Karnyx gespielt wurde, ist nicht bekannt. Man kann vermuten, dass der aufgerichtete Schalltrichter die Trompete weithin sichtbar machen sollte. Möglicherweise sollte die Kriegstrompete, die schon die Griechen in den Keltenkriegen fürchten gelernt hatten, eine Furcht einflößende Wirkung ausüben. Besonders das Auftreten "ungezählter Mengen der Trompetenbläser" (zitiert bei F. Behn, Die Musik im Altertum und frühen Mittelalter. Stuttgart 1954: 146) soll als "akustische Kriegsführung" (Birkhahn 1999: 58) gewirkt haben. Jedoch ist auch der Zusammenhang mit der Opferhandlung, wie auf dem Silberkessel dargestellt, nicht aus den Augen zu verlieren. Vielleicht nicht zufällig handelt es sich bei dem Tierrachen von Deskford um einen Eberkopf. Kam doch dem Eber noch bei den Kelten des Frühmittelalters, den Pikten, eine mythische Bedeutung zu (vgl. Purser 2000: 329).


Rekonstruktion und Experiment

Verrät uns das Instrument selbst nun etwas über die Musik, die auf ihm gemacht wurde? Die Forschungsrichtung der Musikarchäologie versucht, unter anderem auch mit Hilfe von Experimenten auf rekonstruierten Instrumenten, nähere Aufschlüsse über die Musikkultur zu erlangen. Genau wie bei jedem anderen archäologischen Experiment wird dadurch zwar nie bewiesen, dass eine Handlung wirklich so stattgefunden hat, die Möglichkeit wird aber eröffnet und konnte in der Vergangenheit schon ungeahnte Spielmöglichkeiten eines scheinbar einfachen Instrumentes darlegen.

Schauen wir uns darum noch einmal die Karnyx an. Sie hat ein langes enges Schallrohr, das sich oben als Schalltrichter erweitert. Das Mundstück ist schräg angeschnitten und man kann auf ihm spielen wie auf einer Trompete, das heißt mit vibrierenden Lippen. Griffvorrichtungen wie Klappen oder Tonlöcher sind nicht vorhanden, so dass das Melodiespiel, wie beispielsweise auf einer Flöte, nicht möglich ist. Dieses Instrument folgt dem Prinzip moderner Fanfaren oder Signalhörner ohne Ventile, so genannten Naturtrompeten.

Um die Spielmöglichkeiten dieser keltischen Trompete nun auch praktisch untersuchen zu können, fertigte man aus den beiden Fragmenten aus Deskford und Tattershall im Schottischen Nationalmuseum einen Karnyx-Nachbau. In einem Projekt über die prähistorische Musik Schottlands gelangen dem Musiker John Kenny wahre Akrobatiken auf diesem Instrument, wie es auf der CD "The Kilmartin Sessions - The Sounds of Ancient Scotland" (1997) demonstriert wird. Der nach oben gerichtete, sich zur Mündung erweiternde Schalltrichter macht eine große Lautstärke möglich. Der Tierkopf mit der "schnarrenden" Zunge kann zudem eine Verfremdung des Klanges bewirken. Spielt der Bläser in hohen Lagen, so können auf Grund der akustischen Beschaffenheit des Instruments virtuose Techniken ausgeführt werden, die über einfaches Fanfarenblasen hinausgehen.

Sicher wissen wir dadurch nicht, ob in der Spät-La-Tène-Zeit wirklich auf diese Weise auf dem Instrument gespielt worden ist. Zur Erforschung vergangener Musikkultur benötigt die Musikarchäologie jedoch solche Anstöße, um weiter an der Rekonstruktion der Musikkultur arbeiten zu können.

Bedenken wir zum Schluss noch einmal die Kunstfertigkeit der Spät-La-Tène-Zeit, so offenbart sich dort ein hoher Grad an ästhetischem Empfinden, der auch in der Musikausübung vorhanden gewesen sein wird. Schenken wir den Musikinstrumenten als materielle Hinterlassenschaft des vergänglichen Kulturgutes Musik ausreichend Beachtung, so können wir die Musik der keltischen Barden - endlich! - angemessen würdigen.


Ergänzungen und © by archäologisch - Forschung



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Henry

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jachs

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